Hallo, ich erlaube mir, meine ETS Beiträge aus dem alten hh-forum zu kopieren (und weiter unten meine Erfahrung mit einem Update zu aktualisieren). Wer eine OP in Betracht zieht, der oder dem kann ich wärmstens empfehlen, sich richtiggehend ins Thema einzulesen. Es existieren zwar viele Horrorgeschichten, aber auch wissenschaftliche Studien und noch wichtiger: interessante Ausführungen zu den Knackpunkten einer erfolgreichen Operation.

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1. Beitrag im hh-Forum, 23. Aug. 21:
 
Ich habe mir lange überlegt, ob ich diesen Eintrag mache und für die ETS öffentlich eine Lanze breche. Man liest ja viele Horrorstories von Leuten, die nach der OP unter einem richtiggehend invalidisierenden Kompensationsschweiss leiden. Aber gerade deshalb möchte ich auch ein positives Ergebnis hervorheben. Und vor allem etwas allgemeiner auf einige interessante Erkenntnisse zur ETS hinweisen. ETS ist vielleicht besser als man nach der Internetlektüre annehmen könnte. Ihr Ruf ist wahrscheinlich deshalb so schlecht, weil anscheinend viele Chirurge die OP nicht mit der angemessenen Sorgfalt und Präzision durchführen. Dazu später mehr.

Vor meiner ETS im Juli 2021 hatte ich alles ausprobiert. Ionto funktionierte einigermassen, aber mit vielen Wirkungslücken trotz immensem Aufwand und vielem Experimentieren. Es blieb nur noch eine Möglichkeit, den Handschweiss doch noch loszuwerden. In meiner Verzweiflung habe ich alles gelesen, was ich im Netz über die ETS finden konnte. Erfahrungsberichte, Studien, in allen Sprachen, die ich zumindest einigermassen verstehe. Das stetig wachsende Wissen half mir aber kaum bei der Entscheidung. Am Ende nahm die Recherche beinahe obsessive Züge an. Ich hatte immer das Gefühl, ETS sei eine Art Russisch Roulette. Die meisten sind zufrieden, wie man in Studien liest, einige aber richtig unglücklich mit dem Kompensationsschweiss.

Bis ich auf diese Seite gestossen bin: http://www.chirit.com/ETS/ETS.php
Die Infoseite von Dr. Tarfusser (Meran, Südtirol), der seit 30 Jahren HH-PatientInnen begleitet und gegebenenfalls operiert. Er beschreibt, wie auch bei ihm in den ersten 10 Jahren einige wenige, aber schlimme Fälle von krassem Kompensationsschweiss aufgetreten seien. Danach die Suche nach den Ursachen. Ich bin nicht Arzt, aber ich versuche mich an einer Zusammenfassung: Akzeptabler KS sei nicht unbedingt eine Frage des Glücks, sondern der richtigen Operationshöhe und v.a. der Präzision. Krasser KS rühre von der Beschädigung des Ganglion TH2 oder einer unpräzisen OP. Die Ganglien seien nicht wie irgendein peripherer Nerv zu behandeln, sondern wie ein kleines Gehirn, also neurochirurgisch: auf der richtigen Höhe und äusserst präzise. Unter den Namen ETS fielen viele sehr unterschiedliche Techniken und manche darunter seien wie prädestiniert für starken KS. Und selbst bei den wissenschaftlichen Studien würden oft unterschiedliche Verfahren vermischt, also Äpfel mit Birnen verglichen.

Er schreibt: „In the author's own experience, adopting an anatomically precise and technically accurate method has dramatically reduced the incidence of unbearable side effects in patients operated for palmar hyperhidrosis after 2001, compared to those who had undergone surgery in the decade before.“
Also 20 Jahre erfolgreiches Operieren, wie er auch am Telefon berichtet. Seit 2001/02 habe nach dem Klammerverfahren für die Hände niemand mehr die Klammern entfernen wollen (also, so ist anzunehmen, war das Ergebnis stets besser als die Nebenwirkungen).
Überprüfen kann ich das nicht. Aber ich glaube Dr. Tarfusser, nicht nur wegen seiner bescheidenen und vertrauenswürdigen Art. Er gibt nämlich gleichzeitig an, dass bei der OP für Kopfschweiss ca. jede/r Achte die Klammer wieder entfernen liesse wegen krassem KS (um den Kopfschweiss zu unterbinden, muss anders als bei den Händen das kritische TH2 angetastet werden).

Die Website ist ziemlich technisch und man muss sich einlesen. Für mich war es aber eine riesige Entdeckung: ETS ist vielleicht doch nicht Russisch Roulette! Ich habe dann mehrmals mit Dr. Tarfusser telefoniert und alle möglichen Fragen beantwortet bekommen. Die Entscheidung war am Ende nicht mehr schwierig (allerdings auch, weil der Leidensdruck einfach enorm war).

Meinen Erfahrungsbericht möchte ich kurz halten. Es ist ja doch nur ein Einzelfall, und andere haben ausführlich über den Spitalaufenthalt berichtet.

Meine HH: Seit frühester Kindheit an den Händen und Füssen. Mit Pubertät auch an den Achseln und im Schritt (wobei ich immer den Eindruck hatte, dass der Schweiss im Schritt eine Art KS vom halb wirkenden Antihydral/AHC/der Ionto an den Händen war).

Operation: 2 Singelklammer am oberen Ende des Ganglion TH3

Erwünschte Wirkung:
- fast immer ganz trockene Hände. In seltenen Fällen etwas griffige Hände (bei Hitze und gleichzeitiger Immobilität und fehlender Luftzufuhr, also z.B. beim Ausschlafen an heissen Tagen im Bett; nicht zu vergleichen mit den Sturzbächen vorher)
- Füsse: schwitzen auch weniger
- Achseln: weniger. Schwitzen bei Hitze und Anstrengung, worüber ich froh bin.

Unerwünschte Wirkung:
- Kompensationsschweiss. Tritt ca. ab ca. 25 Grad auf. Ab ca. 30 Grad in Kombination mit körperlicher Betätigung ziemlich arg. An Bauch, Rücken, Gesäss, Beinen. Kann störend sein, aber ich leide deutlich weniger als zuvor.

Fazit: Für mich hat die OP eine enorme Verbesserung der Lebensqualität gebracht.
Nun, die OP ist erst einige Wochen her. Man liest ab und an von Patienten, die zuerst überglücklich sind und später von unbändigem KS überfallen werden. Könnte mir also auch noch passieren. Aber laut Dr. Tarfusser ist auch dieses Phänomen eine Spätfolge einer unpräzisen OP. Daher bin ich zuversichtlich.

Bleibt anzumerken, dass auch eine präzise ETS ein beträchtlicher Eingriff bleibt und nur nach all den anderen Therapiemethoden in Erwägung gezogen werden sollte. Ausserdem ist Dr. Tarfusser bestimmt nicht der einzige Arzt, der gewissenhaft operiert. Wie gesagt, ich bin nicht Arzt und kann die OP nicht abschliessend beurteilen. Aber wer eine ETS ins Auge fasst, sollte die Ausführungen auf chirit.com meines Erachtens unbedingt kennen und auch die Chirurgin/den Chirurgen auf die Operationstechnik ansprechen. Ich würde unbedingt darauf achten, dass der Chirurge nicht nur vom Thorax etwas versteht, sondern auch von der Hyperhidrose. Danach, darum kommt man trotzdem nicht herum, muss jede/r für sich selbst entscheiden, ob eine ETS infrage kommt.

Lieber Gruss, geschrieben mit trockenen Händen,
A.

 

 

 

Bedankt von: Sascha Ballweg

2. Beitrag im hh-forum,

Ein kleines Update meinerseits.

Die ETS ist vier Monate her. Seit es kühler ist, bin ich fast immer trocken. Manchmal schwitze ich leicht und i.d.R. für kurze Zeit an den Füssen, unter den Achseln und im Schritt.
Wie vor der OP also, mit dem Unterschied, dass die Hände trocken sind. Und dass auch diese Zonen deutlich seltener schwitzen. Anscheinend hat die ETS über die Hände hinaus eine allgemeine Beruhigung gebracht (ohne sonstige Nebenwirkungen wie Depressionen o.Ä.; laut Dr. Tarfusser sind solche psychischen Nebenwirkungen auf ein Touchieren des TH2 zurückzuführen, wenn ich es richtig im Kopf habe).
Kompensationsschwitzen habe ich bei diesen Temperaturen überhaupt nicht.

Und das Update von heute. Die OP ist ziemlich genau 10 Monate her.

- Der Handschweiss: ist stabil geblieben. Meist trocken. Manchmal "griffig", v.a. gleich am Morgen nach dem Aufwachen. (Das hatte ich immer schon - ich konnte am Morgen ganz trocken im Bett liegen, dann, beim kleinsten Reiz, explodierte mein Nervensystem und ich hatte klatschnasse Hände. Kennt das jemand?). Mehr als griffig werden die Hände dann aber nicht. Kann mir vorstellen, dass sie im Hochsommer wieder etwas feucht werden. War auch in den Monaten nach der OP manchmal der Fall.

Habe deswegen auch mal mit Dr. Tarfusser telefoniert. Er sagte, bei mir seien mit den Klammer nur "die Autobahnen" unterbrochen, aber "die Nebenstrassen" seien noch offen. Daher ein Restschweiss. Ein Rückfall sei möglich, aber unwahrscheinlich. Und im Notfall könnte ich die Nerven immer noch ganz durchschneiden lassen ohne signifkantes KS-Risiko.

- Ich schwitze weiterhin an Achseln (weniger als vorher), im Schritt und an den Füssen. Wenn ich schwitze, dann sind Schritt und Füsse in etwa gleich wie vor der OP. Aber die Schwitzphasen sind allgemein viel weniger geworden. Also gleich stark, aber deutlich seltener.

- Kompensationsschweiss KS: Sehr selten in letzter Zeit. Auch mit den Frühlingstemperaturen und bei körperlicher Arbeit nicht oft. Ich nehme an, es kommt dann ab 25 Grad wieder stärker (bei mir an Beinen, Rumpf, Rücken).

 Fazit: Ich bin immer noch sehr zufrieden mit der OP. Überlege mir auch, ob ich irgendwann auch die OP für die Füsse noch durchführen lassen werde, die ELS.

Ich habe diesen Spätwinter auch endlich eine effektive Entspannungmethode gefunden, und ich bin mir sicher, dass auch die das Schwitzen stark reduziert. Hatte da schon viel ausprobiert, aber nichts hatte annähernd so viel geholfen wie jetzt die 'Wim Hof Methode': Eisbaden, und noch wichtiger für mein vegetatives Nervensystem: eine Atemmethode, bei der sich eine Art Hyperventilation mit Atem-Anhalten abwechseln. Irgendwann schreib' ich auch dazu noch einen Beitrag. Aber wen's interessiert, der findet alle Infos im Netz. (Wobei der Begründer der Methode nicht unbedingt die kohärentesten Erklärungen liefert. Eine gute Adresse ist die hier: https://matthiaswittfoth.de/wim-hof-methode/ )

Gibt es eigentlich öffentlich verfügbare und seriöse Langzeitstudien zur Zufriedenheit von ETS-Patienten?
Falls nein, wäre ich interessiert daran eine solche Studie gemeinsam zu durchdenken und zu initiieren.

Wenn Interesse besteht erstellen wir ein eigenes Thema und denken in Folge gemeinsam über den notwendigen Fragen-Katalog nach aber auch wie wir sicherstellen können, dass die Auswertung möglichst nicht von verschiedenen Interessengruppen manipuliert werden kann.


Sascha Ballweg | Initiator HyperhidroseHilfe.de und des Webshops Schwitzen.com
Palmare Hyperhidrose zu ca. 95 % gelindert: "Bei mir wirken Antitranspirante & Iontophorese gleichermaßen gut, wobei die Iontophorese etwas schneller gegen meine Schweißhände wirkt. Wer Fragen hat… ich helfe gern :)"

Ich hatte vor meiner OP sehr viele Studien gelesen und es gibt auch die eine oder andere Langzeitstudie. Über Seriosität und Interessen kann man sich streiten. Solche Studien werden häufig von praktizierenden Chirurgen gemacht.

Es gibt, und da zitiere ich sinngemäss Dr. Tarfusser, zwei grundsätzliche Probleme:

- Oft werden Äpfel mit Birnen verglichen. Selbst wenn z.B. nur von T3-Operationen die Rede ist, sind die Probanden nicht immer an der gleichen Stelle und schon gar nicht mit der gleichen Präzision operiert worden.

- Heutzutage erwarten viele wissenschaftliche Journals Blindstudien. Um z.B. zweifelsfrei beweisen zu können, dass T3 besser ist als T2, müsste die Hälfte der Probanden mit der einen, die andere mit der anderen Methode operiert werden. Am besten noch ohne deren Wissen. Aber es wäre sehr unverantwortlich, heute noch Leute an T2 zu operieren mit den gemachten Erfahrungen.

Eine saubere Langzeitstudie wäre natürlich trotzdem interessant. Irgendwann habe ich vor der OP dann aufgehört mit den Studien und habe mich einfach auf die Erfahrung des Chirurgen verlassen. Natürlich auf eigenes Risiko, aber bisher ist es aufgegangen. Laut Dr. Tarfusser rühren negative psychische Nebenwirkungen auch von einer OP an T2. Und verspätetes Auftreten von KS von einer unpräzisen OP.
- Man kann das glauben oder nicht.

Ich habe mir das nochmal angeschaut und gesehen, dass wir über schwitzen.com die damals akuelle Studienlage ausgewertet hatten… 

ETS und ESB – langfristig betrachtet …

Obwohl beide Verfahren einen spontanen Heilerfolg versprechen, welcher auch wissenschaftlich belegt wurde, ist die Nachhaltigkeit des Eingriffs umstritten. Diverse Studien haben folgende post-operative Patientenaussagen dokumentiert:

  • 85% – 95% der Patienten betrachteten den Eingriff als vollen Erfolg [2] [3] [4] [5]
  • 60% – 90% der Patienten erlitten lt. weiterer Studien einen späteren Rückfall,
  • d.h. das Schwitzen bzw. die Hyperhidrose begann von neuem [2] [3] [4] [5]
  • 2% – 19% der Patienten bereuten die Operation aufgrund negativer Folgen [2] [3] [4] [5]
  • bis zu 51% der Patienten sahen ihre Lebensqualität nach dem Eingriff eingeschränkt [2] [3] [4] [5]
  • nur 28,6% der Patienten einer koreanischen Studie waren mit dem Ergebnis der OP zufrieden [6]

QUELLE https://schwitzen.com/ratgeber/schwitzen/ets-sympatikus-nerv-durchtrennung/

Diese Zusammenfassung ist allerdings irgendwann vermutlich zwischen 2008 und 2012 entstanden und stellt deshalb sicher nicht den letzten Wissensstand dar.


Sascha Ballweg | Initiator HyperhidroseHilfe.de und des Webshops Schwitzen.com
Palmare Hyperhidrose zu ca. 95 % gelindert: "Bei mir wirken Antitranspirante & Iontophorese gleichermaßen gut, wobei die Iontophorese etwas schneller gegen meine Schweißhände wirkt. Wer Fragen hat… ich helfe gern :)"

Hallo, kurzes Update, gut 15 Monate nach meiner ETS:

Hände: weiterhin fast immer trocken. Wenn ich nervös bin oder mit dem Fahrrad einen Berg rauf fahre, werden sie leicht feucht. Evtl. ein klein wenig mehr als zuvor (zum Thema Singelklammer und Rückfall siehe Update nach 10 Monaten).

Kompensationsschwitzen: Wie gehabt, bei Sport und Hitze schwitze ich stark am Rumpf, im Schritt und an den Beinen. Mit den herbstlichen Temperaturen sehr selten. Brauche jetzt auch keine Kühltücher mehr. (Im Schritt schwitzte ich auch vor der OP schon. Ich glaube nicht, dass es stärker geworden ist. Eher seltener. Wenn ich schwitze, dann schwitze ich in etwa gleich viel.)

Füsse: Schweissmenge wie vor der OP. Auch seltener. Habe vor einiger Zeit Sportsocken gefunden, die das Feuchtegefühl stark verringern und sehr viel helfen (Marke Drymax, Modell Extra Protection Hot Weather). Wirklich ein 'game changer'. Fühle mich viel wohler darin als zuvor!

Ich bin weiterhin sehr zufrieden mit der OP und ihren Folgen.

Bei mir wurde 2008 eine Sympathektomie durchgeführt. Das erste halbe Jahr wahr es echt super, ich dachte alles ist perfekt.

Danach begann ich abwärts der Brust immer stärker zu Schwitzen, am Ende war meine Kleidung abwärts durchnässt, als wäre ich aus der Badewanne heraus gestiegen.

Ich fand damals das Medikament Sormodren, mit dem ich es einigermaßen unter Kontrolle hatte. Leider wird dieser Medikament jetzt nicht mehr produziert, sodass ich derzeit vor einem riesigen Problem stehe. Im Laufe der Jahre lernte ich auch weitere Patienten kennen, die es wie mir erging. Von ärztlicher Seite wird dann gesagt, man hätte es ja unterschrieben, dass es eventuell solche Nebenwirkungen gibt. Wenn man darüber nachdenkt, stimmt es ja, irgendwo muss es ja rauskommen. Aber so extrem hätte ich es mir niemals vorgestellt.

Zusammengefasst würde ich jedem von dieser OP abraten, ich selbst würde es nie wieder machen!

Hoffe, ich habe auch ein bisschen bei eurer Entscheidung Pro oder Contra unterstützen können. Überlegt es euch wirklich sehr gut, bevor ihr diesen Schritt geht.

LG Günther

Bedankt von: Sascha Ballweg
Guenther schrieb:

Zusammengefasst würde ich jedem von dieser OP abraten, ich selbst würde es nie wieder machen!

 

Die Frage ist ja, welche Art der ETS bei dir gemacht wurde. Wie in den Ausführungen von Dr. Tarfusser unter https://www.chirit.com/ETS/ETS.php zu lesen ist, soll es da ja erhebliche Unterschiede.geben. 2008 ist ne Weile her und ich kann mir gut vorstellen, dass bei dir nicht auf die in der verlinkten Darstellung erwähnten Feinheiten eingegangen, sondern auch der T2 in Mitleidenschaft gezogen/gekappt wurde und deine Nebenwirkungen daher rühren.

Aber mal davon abgesehen: Du würdest also tatsächlich lieber wieder Schweißhände und ggf. Achseln haben als das kompensatorische Schwitzen?

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